Fehleranalyse im Exil

MSV-Boss Hellmich übt sich angesichts des Abstiegs in Selbstkritik und brütet in der Schweiz über die Zukunft

DUISBURG taz ■ Als nichts mehr zu retten war und alle weiteren Durchhalteparolen nur noch den unwürdigen Geschmack der Lächerlichkeit getragen hätten, gab Walter Hellmich seine ganz persönliche Bankrotterklärung ab. Mit leichenbitterer Stimme und einem Gesichtsausdruck, der die unfassbare Tiefe des Abstiegs erahnen ließ, gab der Vorsitzende des Fußball-Bundesliga-Schlusslichts MSV Duisburg zu, dass „meine letzte Trainer-Entscheidung ein Fehler war. Das hat uns die Liga gekostet.“

Hellmich nannte keinen Namen, aber jeder, der dieses erste öffentliche Schuldeingeständnis Hellmichs in dessen vierjähriger Amtszeit verfolgte, wusste, dass Jürgen Kohler gemeint war. Mitt–lerweile ist der ehemalige Weltmeister, dessen Verpflichtung Hellmich vor vier Monaten in euphorischer Manier als totalen Triumph pries, zwar längst beurlaubt, doch das Kind liegt im Brunnen. Nach der jüngsten 0:2-Niederlage gegen den Hamburger SV ist der Klassenverbleib bei sieben Punkten Rückstand zum 15. Rang so unwahrscheinlich, dass nicht mal der sonst im Optimismus badende MSV-Boss mehr daran glaubt.

Die Gründe für den direkten Wiederabstieg des Aufsteigers, dem Hellmich zuvor eine internationale Zukunft prognostizierte, sind vielfältig und nicht alleine Kohler anzulasten. Zu blauäugig gingen die Duisburger in die Saison. Weil sich der Aufstiegstrainer Norbert Meier nicht traute, Hellmichs Sparkonzept zu hinterfragen, wurde es versäumt, den Kader qualitativ angemessen zu verstärkten. Der Vorsitzende, der auch aus finanziellen Gründen, vor allem aber aus Eitelkeit die Einstellung eines Managers ablehnt und stattdessen seinem Bauchgefühl vertraute, dachte, es würde schon reichen. Diese Illusion ließ sich der Bauunternehmer erst nach dem 30. Spieltag nehmen.

Mit nur 28 Toren hat der MSV den schlechtesten Angriff, 55 Gegentreffer kassierte der Absteiger. Als Krönung in der Fehlerliste wurde nach der Entlassung Meiers, der sich durch die peinliche „Kopfnuss-Affäre“ selbst aus dem Amt stieß, mit Kohler ein Trainer verpflichtet, der den Beweis seiner Tauglichkeit zuvor und währenddessen schuldig blieb. Mehr als ein paar Sprüche hatte der überforderte Neueinsteiger nicht zu bieten. „Wir haben zu viele Fehler gemacht. Das zog sich wie ein roter Faden durch die Saison“, sagte der aktuelle Übergangscoach Heiko Scholz, der zwar nur die Defizite auf dem Rasen meinte, unbewusst damit aber den Gesamtzustand analysierte.

Hellmich gönnte sich über die Ostertage eine Auszeit. Bis morgen weilt er noch in der Schweiz. Nicht weil dort beim FC St. Gallen mit Ralf Loose ein potenzieller MSV-Coach gerade frei wurde, sondern weil er in seinem Ferienhaus wichtige Entscheidungen reifen lassen will. Ein neuer Trainer muss her. Einer, der ein Team zusammenstellt, das den sofortigen Wiederaufstieg schafft. „Ich habe in den letzten Monaten gelitten wie ein Hund“, versichert Hellmich – und das sieht man ihm auch an.

Zahlreiche Trainer, darunter auch namhafte, hätten sich nach Aussage des MSV-Bosses, der in spätestens drei Wochen eine Entscheidung treffen will, schon beworben. Selbst Scholz sei ein ernster Kandidat, auch wenn die wenigsten dem „Gute-Laune-Bären“ zutrauen, die Mission Aufstieg zu gewährleisten. Denn der muss es mindestens sein. Zweitliga-Heimspiele gegen Aue oder Burghausen vor 13.000 Zuschauer reichen nicht, um die 48 Millionen Euro teure MSV-Arena dauerhaft zu finanzieren. „Bevor wir über neue Spieler oder einen Manager reden, brauchen wir Sponsoren“, sagt Hellmich, der alles andere als ein Mäzen ist. Dass das Team auseinander bricht, befürchtet der 62-Jährige nicht: „Wir sind ein toller Verein, hier will keiner weg.“ ROLAND LEROI